Klimaschutz ist Bauernschutz

In der Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 24. Oktober ist ein Gastbeitrag „Klimaschutz ist Bauernschutz“ von Maria Heubuch erschienen. Die agrarpolitischen Lehren dieses Sommers müssen wir jetzt ziehen – in Berlin und Brüssel. Geld alleine wird nicht reichen.

Der Erntedank war in diesem Jahr kein Anlass für ritualisierte Dankeshymnen an die als so modern gepriesenen Mittel und Methoden unserer Landbewirtschaftung. Die Dürre, die in Südeuropa und weiten Teilen Afrikas altbekannt ist, hat in diesem Sommer auch bei uns den Alltag auf vielen Höfen und die agrarpolitische Agenda in Berlin bestimmt. Der Deutsche Bauernverband forderte eine Milliarde Steuern, Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) wartete ab und setzte mit dem Versprechen von 340 Millionen Euro einen Schlussstrich unter die öffentliche Debatte.

In den Betrieben ist noch kein Euro angekommen und die Kriterien sind der Bundesministerin so kompliziert geraten, dass nur wenige Bäuerinnen und Bauern die Dürrehilfen erhalten werden. Anstatt sich angesichts gestiegener Futterkosten für höhere Erzeugerpreise für Milch und Fleisch einzusetzen, bietet die Bundesministerin nur dürre Hilfe an.

Klimaforscher sehen in den extremen Wetterlagen Auswirkungen der Erderwärmung, der Weltklimarat schlägt Alarm. Bäuerinnen und Bauern sind in unseren Breiten wirtschaftlich die Ersten, die vom Klimawandel direkt betroffen sind. Klimaschutz ist daher auch Bauernschutz. Doch die Bundesregierung hält ihre schützende Hand über die Braunkohle-Konzerne, pfeift die EU-Kommission zurück, die höhere Klimaschutzziele vorgeschlagen hatte, und will alles beim Alten belassen.

Es ist höchste Zeit für agrarpolitische Konsequenzen. Wir müssen unseren Ackerbau widerstandsfähiger gegen Klimarisiken machen. Mit Alternativen zu Glyphosat können wir Herbizid-Resistenzen von Unkräutern in den Griff bekommen und das Insekten- und Artensterben stoppen. Es braucht eine umfassende Ackerbaustrategie.

Dreh- und Angelpunkt ist eine vielfältigere Fruchtfolge. Zu lange mussten und konnten Landwirtinnen und Landwirte aus betriebswirtschaftlichen Gründen allein auf Höchsterträge gut marktgängiger Kulturen wie Winterweizen, Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln setzen. Pestizide, Dünger und hochtechnisierte Landtechnik verdeckten ackerbauliche Probleme dieser verengten Fruchtfolgen. Das klappte schon vor der Dürre 2018 an vielen Standorten nicht mehr, wenn sich Unkräuter an die Pestizide gewöhnt haben und die Ernteerträge einbrechen. Ackerbohnen, Erbsen und Klee müssen wieder zurück auf unsere Äcker. Sie sammeln Stickstoff aus der Luft und ersetzen energiefressenden und klimaschädlichen Kunstdünger. Der Absatzmarkt ist noch begrenzt, was für die Landwirte niedrige Erzeugerpreise bedeutet. Auch der Verzicht auf Höchsterträge zehrt in Durchschnittsjahren am Gewinn.

Weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, erfordert auch eine andere Technik. Die Alternative zu Glyphosat ist nicht die großflächige Rückkehr zum Pflug und das Ende des Erosionsschutzes. Es gibt viele Möglichkeiten, ohne Totalherbizid auch an Hängen und gegen das Horrorunkraut Quecke erfolgreich zu wirtschaften.

Bauern und Bäuerinnen müssen von ihren Erträgen leben können. Die Reform der EU-Agrarpolitik steht in der Pflicht, die Förderpolitik zielgerichtet strategisch umzubauen. Heute bestehen die direkten EU-Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe im Wesentlichen aus pauschalen Flächenprämien pro Hektar, nach oben unbegrenzt. Die größten Betriebe bekommen das meiste Geld. Wie auf den Flächen und in den Ställen gewirtschaftet wird, bleibt fast völlig außer Acht. Dieses System müssen wir mit der EU-Agrarreform grundlegend ändern. Wir müssen dahin kommen, dass mit den Geldern die positiven Leistungen der Betriebe für Umwelt, Klima und Tierwohl honoriert werden. Je vielfältiger die Fruchtfolge ist, desto höher muss die Zahlung sein. Je mehr ein Betrieb für Klima und Bodenschutz leistet, desto mehr muss er dafür belohnt werden. Wer die Wiesen und Weiden erhält und mit einer auf den Flächenumfang abgestimmten Tierzahl nutzt, schützt Klima und Grundwasser und sollte Pluspunkte einfahren.

In Brüssel tritt Julia Klöckner bisher als Verteidigerin der alten, pauschalen Direktzahlungen auf und versucht, eine Verknüpfung der Gelder mit ökologischen Leistungen abzuwehren. Die Vorschläge der EU-Kommission sind schon unverbindlich, aber der Bundesagrarministerin geht selbst das noch zu weit.

Meine Erfahrung auch als konventionelle Milchbäuerin ist, dass die Bäuerinnen und Bauern zu weit mehr Veränderung bereit sind als ihre Berufsverbände. Das Jahr 2018 hat sich in unserem Bewusstsein als einschneidendes Erlebnis eingebrannt. Wir sollten den Mut haben, politische Konsequenzen zu ziehen und die Bäuerinnen und Bauern bei den notwendigen Anpassungen positiv unterstützen. Dann hätte die Dürre im Nachhinein etwas Gutes bewirkt.

Quelle: Maria Heubuch